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Die segmentale Behandlung

Ein Chiropraktiker löst mit speziellen Handgriffen Gelenkblockaden in der Wirbelsäule
Ein Chiropraktiker löst mit speziellen Handgriffen Gelenkblockaden in der Wirbelsäule.

Die Nervenversorgung aller Körperteile, der Haut, der darunterliegenden Gewebe und der Organe in der Tiefe geschieht in bestimmten Abschnitten, sogenannten Segmenten. Die Segmente werden nach den ihnen entsprechenden Wirbeln bezeichnet: Jedes Nervenpaar, das zwischen zwei Wirbeln austritt, entspricht einem Segment und versorgt einen ganz bestimmten Körperabschnitt. Im Segmentplan kann wie auf einer Landkarte nachgesehen werden, in welcher Höhe der Wirbelsäule, d. h. zwischen welchen Wirbeln die Nerven austreten, die zum Beispiel auf die Außenseite des rechten Fußes oder zur Gallenblase ziehen.

Wenn umgekehrt an der Außenseite des rechten Fußes oder im Bereich der Gallenblase Schmerzen auftreten, so kann man genau sagen, in welchem Wirbelsäulenabschnitt die Nerven, die dieses Gebiet versorgen, aus dem Wirbelkanal austreten.

Ein Reizzustand in einem bestimmten Wirbelsäulengebiet wird daher zu einer Störung der zu diesem Segment gehörenden inneren Organe führen können. Umgekehrt kann aber durch die Störung eines Körperabschnitts oder Organs auch das Segment beeinflusst werden. Deshalb ist die Wirkung jeder Wirbelsäulenbehandlung nicht nur auf den Ort der Behandlung beschränkt, sondern sie erstreckt sich auf das ganze Segment.

Man kann sich dies für die Behandlung innerer Organe zunutze machen; man nennt sie „segmentale Behandlung" oder „Behandlung über das Segment". Es ist bekannt zum Beispiel, dass sogenannte Herzschmerzen nichts mit dem Herzen selbst zu tun haben, sondern durch Reizzustände an anderer Stelle des Segmentes zustande kommen.

Dass solche Zusammenhänge zwischen Rücken bzw. Wirbelsäule und den inneren Organen bestehen, haben die Osteopathen in Amerika schon vor hundert Jahren gewusst; sie haben sie beschrieben und mit Erfolg danach behandelt. Diese Methode wurde bis in die jüngste Zeit von der exakten Wissenschaft, die sich dies nicht erklären konnte, als Kurpfuscherei angesehen, bis sie jetzt durch die modernen Forschungen allmählich doch zur wissenschaftlichen Anerkennung gelangt ist. In der Hand des Erfahrenen ist die Segmentbehandlung eine der erfolgreichsten Heilmethoden.

Die Chiropraktik

So müssen auch die chiropraktischen Eingriffe an der Wirbelsäule als segmentale Behandlung aufgefasst werden, und nur so sind ihre manchmal verblüffenden Erfolge am gesamten Organismus verständlich. Man hat deshalb diese Behandlung auch als einen Stoß ins Vegetativum bezeichnet, denn bei den Nerven, die zu den inneren Organen ziehen, handelt es sich ja um Anteile des vegetativen Nervensystems. Es wurde aber schon immer beobachtet, dass die Besserung von Störungen in einem Segment mit einer Besserung von Störungen in anderen Segmenten und meist auch mit einer Hebung des Allgemeinbefindens einherging. Die Erklärung liegt darin, dass die vegetativen Segmente durch den Grenzstrang, der eine vor der Wirbelsäule herunterziehende Längsverbindung darstellt, miteinander in Verbindung stehen.

Wirbelsäulenbehandlung wirkt auf den ganzen Menschen

Damit wird zugleich noch etwas anderes deutlich, dass nämlich mit einer Behandlung der Wirbelsäule in diesem Sinne niemals eine Behandlung der Knochen, also der einzelnen Wirbel, gemeint sein kann. Dies sieht der Kranke meist ganz falsch; er meint, ein Wirbel sei krank, dieser sei die Ursache allen Übels, und wenn dieser Wirbel wieder in Ordnung sei, sei alles wieder gut. Der knöcherne Wirbel ist hier ganz ohne Belang; man kann ihn zwar als Orientierungsmerkmal im Röntgenbild benützen, aus dem manches abzuleiten ist, aber nur durch die umgebenden Weichteile, die Muskeln, Sehnen, Bänder und die sie versorgenden Gefäße und Nerven wird die Wirbelsäule zu einem funktionierenden Organ. Wenn also von der Wirbelsäule, ihren Erkrankungen und ihrer Behandlung gesprochen wird, so ist damit immer dieses komplizierte, ein Ganzes darstellende Organ gemeint.

Es gibt eine Reihe von Gelenkerkrankungen, die nicht nur ein Gelenk befallen, sondern sich als Systemerkrankungen dadurch auszeichnen, dass immer mehrere Gelenke betroffen sind. In Anbetracht der besonderen Verhältnisse an der Wirbelsäule wird es einleuchten, dass ein entzündetes Gelenk, etwa an der Hand, sich in anderen Beschwerden äußern wird als ein entzündetes Wirbelgelenk. In der Umgebung der Hand bestehen nicht die komplizierten Verhältnisse, wie sie sich an den Wirbelgelenken durch ihre unmittelbare Nachbarschaft mit den aus dem Rückenmark kommenden Nerven ergeben. Zugleich ist nun auch verständlich, dass die Beinschmerzen bei einer " Ischias" ihren Krankheitsherd meist nicht im Bein, sondern in Segmenten der Wirbelsäule haben.

Aus dem Buch "Rheuma" von Dr. med. M. O. Bruker, emu-Verlag Lahnstein.
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